Ludwig Bechstein
Deutsches Märchenbuch, 1847
Vom Hänschen und Gretchen, die in die roten Beeren gingen
Hänschen und Gretchen waren noch kleine Kinder, als sie einmal mit einander hinaus in den Wald gingen, um rothe Beeren zu suchen. Jedes hatte ein Töpfchen. Ehe sie den Wald erreichten, kamen sie an einen Teich, darinnen gar schöne Fischchen herumschwammen, die aussahen wie das blanke Silber. Davon fingen sich die Kinder einige, und thaten sie in ihre Töpfchen; dann pflückten sie im Wald noch gar viele rothe Beeren und thaten sie hinein zu den Fischen, bis das Töpfchen ganz voll war. Dann fanden sie zwei schöne Messerchen, und die legten sie oben darauf. Aber, als sie eine kleine Strecke durch den Wald gegangen waren, sahen sie einen großen Bären entgegen kommen; da fürchteten sie sich sehr, und versteckten sich, und ließen in der Eile ihre Töpfchen zurück, die der Bär, als er herbei kam, mit sammt den Fischen und Beeren auffraß, Und auch die Messerchen verschluckte er. Dann tappte er wieder fort. Die Kinder, als sie sich wieder hervorwagten aus ihrem Versteck, und sahen daß ihre Fische und Beeren und Töpfe und Messer gefressen waren, fingen sie sehr an zu weinen, und gingen nach Hause, und sagten es ihrem Vater. Der machte sich schnell auf, nahm ein langes Messer mit, ging hinaus in den Wald, und schnitt dem Bären den Leib auf, und that alles wieder heraus: die Beeren, die Fischchen, die Töpfchen und Messerchen und gab es seinem Hänschen und Grethchen wieder. Da waren die Kinder voll Fröhlichkeit, und trugen ihre Töpfchen heim, und aßen die rothe Beeren, und aßen ihre Fischchen, und spielten mit den schönen Messerchen.
Ludwig Bechstein (1801-1860)